Auch der Wolf merkt den Rechtsrutsch

Das neue Parlament könnte den Schutz für Grossraubtiere noch mehr lockern

Der Aufschrei war gross. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) bewilligte letzten Montag den Abschuss zweier Jungwölfe. Damit soll dem Calanda-Rudel im Grenzgebiet zwischen St. Gallen und Graubünden wieder Respekt vor dem Menschen beigebracht werden. Tierschützer kritisierten den Entscheid, Schafzüchter frohlockten. Die Wolfsfrage zeigt die Kluft zwischen Stadt und Land, zwischen Berg und Tal.

Können sich Wolf und Mensch friedlich Gutenacht sagen? Bild: Bundesamt für Umwelt / bafu.admin.ch
Können sich Wolf und Mensch friedlich Gutenacht sagen? Bild: Bundesamt für Umwelt / bafu.admin.ch

Die Diskussion läuft auch auf dem politischen Parkett heiss – zuungunsten der Grossraubtiere: Das neue Parlament besteht mehrheitlich aus Wolfsgegnern. Dies zeigen Daten von Smartvote. Während 2011 noch nur 46 Prozent der Nationalräte bereit waren, die Schutzbestimmungen für Grossraubtiere zu lockern, sind es nun 53 Prozent.

Ein Grund dafür ist der Rechtsrutsch. Wolfsgegner ersetzten Wolfsfreunde. Beispielsweise im Kanton Bern: Schiesssportler Erich Hess (SVP) verdrängte die Tierschützerin Aline Trede (Grüne). Im ruppenwallisKanton Wallis schaffte Franz Ruppen (SVP) den Sprung in den Nationalrat – dank seines Slogans: «Für ein Wallis ohne Wolf».

Auch auf hohen Posten sitzen Wolfsfeinde: Die zwei Parteipräsidenten und leidenschaftlichen Jäger Christophe Darbellay (CVP) und Martin Landolt (BDP) haben bereits mehrmals auf Kosten des Wolfs gestimmt. Im Sommer hat sich gezeigt, dass einige Ständeräte sich zwar für den Wolf aussprechen, aber gegen ihn stimmen. Hans Stöckli (SP) und Verena Diener (GLP) trugen einen Vorstoss zur Lockerung des Wolfsschutzes mit, obwohl sie gemäss Smartvote schon 2011 dagegen waren.

In den letzten zwei Jahren diskutierte das Parlament 14 Vorstösse zum Wolf. Im neuen Jahr geht die Debatte weiter, drei Vorstösse sind hängig. Für René Imoberdorf und Beat Rieder (beide CVP) soll der Wolf als jagdbar eingestuft werden. Roberto Schmidt (CVP) will Wolfsmischlinge verbannen.

Änderung des Jagdgesetzes wäre die goldene Mitte

Im Zentrum der politischen Wolfsfrage steht die Berner Konvention – ein internationales Abkommen für den Naturschutz. 2010 nahm das Parlament einen Vorstoss von Jean-René Fournier (CVP) an, die Konvention so abzuändern, dass der Wolf in der Schweiz nicht mehr geschützt ist, oder ganz aus der Konvention auszutreten. Der Antrag wurde von den anderen Mitgliedsstaaten abgelehnt. Einen Austritt hat der Bundesrat bisher verweigert, weil es «staatspolitisch heikel» wäre. Zudem müsste die Schweiz dann zahlreiche Bestimmungen zum Naturschutz neu aushandeln.

Mit einer Motion von Stefan Engler (CVP), die eine Änderung des Jagdgesetzes anstrebt, könnte der Wolfsbestand im Einklang mit der Konvention reguliert werden. Der Bund hofft nun, dass die Wolfsgegner stillhalten, bis die Änderung 2017 ins Parlament kommt. Doch noch ist ein Vor­stoss hängig: Die Standesinitiative des Kantons Wallis ist sozusagen eine Durchsetzungsinitiative der Motion Fournier. Mit der wolfs­kritischen Mehrheit des neuen Parlaments hat sie durchaus Chancen.

Die zwei Calanda-Wölfe dürfen schon jetzt in St. Gallen, ab morgen auch in Graubünden abgeschossen werden. Pro Natura und der WWF prüfen, ob sie eine Beschwerde einreichen wollen.

Dieser Artikel ist am 27.12.15 in der SonntagsZeitung erschienen.

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