Azem Syla soll von der Schweiz aus eine Bande aufgebaut haben, die Landbesitzer um Millionen gebracht hat
Der Katalog der Anschuldigungen der kosovarischen Staatsanwaltschaft ist lang: Bestechung, Geldwäscherei, Betrug, Amtsmissbrauch, Dokumentenfälschung und Steuerhinterziehung. Über 30 Millionen Euro soll eine Bande von 38 Kriminellen im Kosovo erschwindelt haben. Der beschuldigte Anführer, Azem Syla, ist in der Schweiz kein Unbekannter.
Zwischen 2002 und 2011 bezog Syla fast eine halbe Million Franken Sozialhilfe in Biberist im Kanton Solothurn. Gleichzeitig legte er ein Studium in Politikwissenschaften ab und baute sich eine Politikerkarriere im Kosovo auf.
Wegen seiner Auslandaufenthalte wurde die Ausgleichskasse in Solothurn stutzig: Sie warf ihm Sozialhilfebetrug vor und stoppte die Zahlungen. Syla ging vor Gericht – und verlor. Das Urteil von 2012 hielt fest, dass Syla «das hiesige Sozialsystem über Jahre hinweg in erheblicher Weise ausgenutzt oder gar missbraucht» habe.
Die Ausgleichskasse Solothurn klagte Syla wegen Sozialhilfebetrugs an. Zur gleichen Zeit entzogen ihm die Migrationsbehörden seine Aufenthaltsbewilligung. Als er sich dagegen wehrte, blitzte seine Beschwerde beim Bundesgericht ab. 2012 verliessen er und seine Frau die Schweiz.
Er soll Immobilien im Wert von 30 Millionen ergaunert haben
2014 jedoch kam die Überraschung. Die Solothurner Staatsanwaltschaft entlastete Syla. Die Vorwürfe, er habe die IV betrogen, hätten sich nicht erhärtet. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein.
Nun soll der heute 65-jährige Syla im Kosovo ein Korruptionsnetz geleitet haben. Das schrieb die Staatsanwaltschaft des Kosovo am Dienstag in einer Mitteilung. Dabei soll er Immobilien im Wert von 30 Millionen Euros ergaunert haben.
Syla soll komplexe, korrupte Verbindungen geknüpft haben, die auch vor der Verwaltung nicht haltmachten. Jedes Mitglied seiner Bande hatte eine spezifische Rolle. Damit habe Syla den kosovarischen Staat und andere Landbesitzer um Millionen gebracht, schreibt die Staatsanwaltschaft. Mit gefälschten Dokumenten sollen sie öffentliche Gebäude erworben haben. Wichtige Mittelsmänner und Beamte wurden dabei bestochen.
Im Zuge der Ermittlungen wurden die Gebäude Mitte April konfisziert und Syla wurde verhaftet. Er und zwei andere Mitglieder der Gruppe sitzen seither in Untersuchungshaft.
Generalstabschef der Befreiungsarmee UCK
Die Staatsanwaltschaft schreibt, Sylas Bande sei seit 2006 aktiv gewesen. Das wirft Fragen auf. Denn zu dieser Zeit war Syla in Solothurn und bezog noch weitere fünf Jahre Sozialhilfe.
Lebte Syla auf Kosten der Schweiz, während er im Kosovo ein kriminelles Netz aufbaute?
Nach der Entlastung Sylas wegen Sozialhilfebetrugs 2014 sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Cony Zubler, zur «Solothurner Zeitung», man habe Sylas finanzielle Situation durch Bankauskunftsbegehren sowohl in der Schweiz wie auch im Kosovo «eingehend untersucht.» Auch seien Hausdurchsuchungen in seinem Wohndomizil in der Schweiz durchgeführt worden.
Weiter informierte die Staatsanwaltschaft Solothurn damals, in der relevanten Zeit von 2002 bis 2011 habe Syla «keinerlei Erwerbseinkommen oder dergleichen» erzielt. «Abgesehen von den Ergänzungsleistungsgeldern konnten keine Geldzuflüsse ermittelt werden», sagte Zubler.
Syla war 1994 mit seiner Frau und drei Kindern in die Schweiz gereist, wo ihm Asyl gewährt wurde. Während des Kosovo-Kriegs Ende der 90er-Jahre war er Generalstabschef der Befreiungsarmee UCK. Danach amtierte er kurz als kosovarischer Verteidigungsminister.
Bis zu seiner Verhaftung im April war Syla Mitglied des kosovarischen Parlaments für die Demokratische Partei Kosovo. Diese regiert das Land in der Koalition mit der Demokratischen Liga des Kosovos seit 2014. Er gab das Amt auf, als er im Gefängnis landete.
Eine «Schlüsselfigur» bei mehreren Kriegsverbrechen
Syla wird auch mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht. 2010 schrieb der Schweizer Dick Marty in einem Bericht, Syla habe Mord und Folter in Auftrag gegeben. Er sei eine «Schlüsselfigur» gewesen bei mehreren Kriegsverbrechen. Obwohl gegen ihn ermittelt worden war, kam es nie zu einem Urteil.
Bild: Jetmir Idrizi