Berauscht in den Dienst

(Dieser Artikel erschien am 23. Januar 2016 im TagesAnzeiger und Bund. Geschrieben zusammen mit Claudia Blumer).

Zwölf Soldaten, die am Dienstag zum Wiederholungskurs am WEF einrücken mussten, hatten Cannabis konsumiert, fünf von ihnen auch Kokain.

Nicht alle scheinen von der weit hergereisten A-Prominenz in Davos beeindruckt zu sein. Zumindest jene zwölf Soldaten waren es offenbar nicht, die vor dem Einrücken zu ihrem Wiederholungskurs am WEF Cannabis und Kokain zu sich genommen hatten. Nachgewiesen wurde der Konsum in einer Kontrolle, welche die Militärpolizei am Dienstag aufgrund einer Verdachtsmeldung durchführte. Jemand hatte gemeldet, dass im Gebirgsinfanterie-Bataillon 30 womöglich Drogen konsumiert würden. Zwölf Soldaten wurden danach positiv auf den Konsum von Betäubungsmitteln getestet: Sieben hatten Cannabis geraucht, fünf weitere hatten darüber hinaus auch Kokain konsumiert.

Der für das WEF zuständige Sprecher des Verteidigungsdepartements, Stefan Hofer, bestätigte gestern einen entsprechenden Bericht des «Corriere del Ticino». Das Bataillon besteht aus 650 bis 700 Soldaten, die vorwiegend aus dem Tessin und aus Südbünden stammen.

Kokainkonsumenten entlassen

Weiter wurde gestern bekannt, dass in der Nacht auf Donnerstag ein Soldat nur knapp an einem Dienstkollegen vorbeigeschossen hatte – wohl zufällig und ohne Absicht. Nach bisherigen Erkenntnissen habe sich aus seinem Gewehr ein Schuss gelöst, als er es entladen wollte, sagt Tobias Kühne, Sprecher der Militärjustiz, auf Anfrage. Die Militärjustiz hat wegen des Schusses eine Untersuchung eröffnet. Ob der Vorfall in Zusammenhang steht mit dem Drogenkonsum, ob er dieselben Personen betrifft, war gestern nicht zu erfahren. Die fünf Soldaten, denen der Konsum von Kokain nachgewiesen worden war, wurden noch am selben Tag aus dem Militärdienst entlassen. Sie haben ihn damit am WEF gar nicht angetreten. Die übrigen, die lediglich Cannabis geraucht hatten, sind noch im Dienst. Ihnen droht eine Disziplinarstrafe, die im Ermessen des Truppenkommandanten liegt. Sie kann von zehn Tagen Hausarrest bis zu 500 Franken Busse reichen.

«Abbild der Gesellschaft»

Sicherheitspolitiker geben sich nachsichtig in Bezug auf die Vorfälle. Es sei zwar ärgerlich, dass zwölf Personen das Ansehen der übrigen 4500 Soldaten am WEF in Mitleidenschaft zögen, sagt Nationalrätin Chantal Galladé (SP). Sie gebe aber zu bedenken, dass eine Milizarmee die Gesellschaft abbilde. Beim Einrücken gelte klar Nulltoleranz, und da die Kontrollen bei Dienstbeginn durchgeführt und die Fehlbaren herausgefiltert worden seien, hätten die Verantwortlichen richtig gehandelt.

Galladé, die als Vertreterin der Sicherheitskommission während der letzten Jahre am WEF teilgenommen und dort mit den diensthabenden Soldaten das Gespräch gesucht hatte, sagt: «Die WEF-Soldaten haben keinen dankbaren Job. Sie stehen stundenlang in eisiger Kälte und müssen dabei dauerpräsent und konzentriert sein.» Sie habe jeweils den Eindruck gehabt, dass die Moral und die Motivation unter den Armeeangehörigen sehr hoch gewesen seien.

Nationalrat Thomas Hurter (SVP) warnt davor, dem Vorfall eine politische Bedeutung zu geben: «Diese Sache muss militärintern gelöst werden. Das ist nicht Sache der Politik.» Momentan leisteten Hunderte von Angehörigen der Armee «gute Arbeit ohne irgendwelche Vorkommnisse». Dieser Vorfall deute sicher nicht auf ein Problem der Armee hin, sondern auf eines der ganzen Gesellschaft, sagt Hurter. «Die Armee ist ein Abbild der Gesellschaft, und das wirklich Traurige an der Sache ist, dass der Drogenkonsum allgemein zugenommen hat. Das sollte uns zu denken geben. Man muss sich der Gefahren des Cannabiskonsums bewusst sein.»

Auch die Schweizerische Offiziersgesellschaft betont, dass sich «vom besagten Bataillon 98 Prozent der Angehörigen an die militärischen – und auch an die zivilen – Vorgaben halten, was den Konsum von Drogen anbelangt». Trotzdem handle es sich klar um Straftaten, die nicht nur militärisch, sondern auch zivilrechtlich geahndet werden müssten. Unwirsch reagiert die Gruppe Giardino, welche eine deutlich grössere Armee zum Ziel hat: «Die Armee hat weitaus grössere Probleme», antwortet der Mediensprecher auf die Frage, wie die Vorfälle zu werten seien. Er bittet vor dem Hintergrund des Drogenkonsums der WEF-Soldaten, «sich auf das grosse Bild zu konzentrieren»: Das Schiff Armee steuere insgesamt auf einen Eisberg zu, während man sich im Foyer darüber aufrege, dass das Besteck schmutzig sei.

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