Noser und Knecht sind klare Favoriten für die Ständeratswahl in Zürich und Aargau

Dieser Artikel erschien am 8. November 2015 in der SonntagsZeitung. Geschrieben mit Denis von Burg. 

Nur wenn Linke und Mitte strategisch wählen, können sie weitere SVP- und FDP-Ständeräte verhindern.

Bern Der Rechtsrutsch im Nationalrat ist schon besiegelt. Doch dieser könnte im Ständerat noch relativiert werden. Die Linke und die Mitte haben es in mehreren Kantonen in der Hand, den Vormarsch der SVP und der FDP zu stoppen. Das Wählerpotenzial wäre vor­handen. Das zeigt eine Wahlsimulation der Forschungsstelle Sotomo, die auf der Basis der Tamedia-Wahlstudie des ersten Wahlgangs die Stimmenverteilung analysiert und das Potenzial der Kandidaten für den zweiten Wahlgang berechnet hat.

Wählerpotential in den Kantonen Aargau und Zürich. Grafik: Jürg Candrian (SoZ)
Wählerpotential in den Kantonen Aargau und Zürich. Grafik: Jürg Candrian (SoZ)

Wenige Wochen vor dem Urnen­gang versuchen Mitte- und Linksparteien, ihre Anhänger davon abzuhalten, aus Angst vor weite­ren SVP-Erfolgen Freisinnige zu wählen. Stattdessen sollen diese konsequent auf Kandidaten der CVP, der SP und der Grünen setzen. Quer durch die Schweiz bilden sich Mitte-links-Wahl­allianzen gegen favorisierte FDP- und SVP-Ständeratskandidaten.

Kampfzone Nummer eins sind der Aargau und Zürich, wo Mitte-links Aussicht auf zusätzliche Sitze hat. Im Aargau soll CVP-Frau Ruth Humbel den bisherigen FDP‑Sitz holen. In Zürich soll der Grünen-Aufsteiger Bastien Girod ebenfalls der FDP einen Sitz wegschnappen. Sowohl Humbel wie Girod rangieren in ihren Kantonen bis jetzt nur an dritter Stelle. Trotzdem wäre das Potenzial für einen Coup bei beiden vorhanden.

Linke Kampagne für Humbel im   Aargau

Dass die Linke und die Mitte das Feld noch nicht den Rechtsbürgerlichen überlassen haben, zeigte sich in den letzten Tagen. Die Partei­spitzen weibeln für den Aufstand gegen SVP und FDP. Im Aargau ist eine Mitte-links-Allianz für Ruth Humbel entstanden. Nachdem SP-Kandidatin Pascale Bruderer im ersten Durchgang gewählt wurde, setzen die Genossen voll auf Humbel. Die Partei mobilisiert mit Inseraten und Massenmails, in denen die CVP-Frau als «Bürgerliche, mit der man reden kann» gepriesen und FDP-Kandidat ­Philipp Müller als SVP-Klon dargestellt wird.

Grüne und grünliberale Spitzenpolitiker sind dem Humbel-Wahlkomitee beigetreten. BDP und EVP unterstützen die CVP-Frau offiziell. Die Humbel-Allianz hat rein rechnerisch die Chance zu gewinnen. Dafür müssten Wähler der Linken und der Mitte aber konsequent Humbel auf den Wahlzettel schreiben. Tatsächlich werden aber ge­mäss den Sotomo-Berechnungen am 22.   November über 12 000 SP-Wähler Philipp Müller wählen.

«Wir müssen die Aargauer davon überzeugen, dass die freisinnige Logik nicht stimmt und man nicht Philipp Müller wählen muss, um Hansjörg Knecht zu ver­hindern», heisst es im Humbel-Komitee. Wenn sich die Wähler aber so wie im ersten Wahlgang verhalten, wird es für Humbel nicht reichen, wie die Sotomo-Berechnungen ­zeigen.

Doch mit der aufwendigen Kampagne der Humbel-Allianz und wenn Mitte-links geeint stimmt, könnte sich die CVP den zweiten Aargauer Ständeratssitz holen und SVP-Mann Knecht sowie Müller verhindern.

«Team Girod» weibelt vor allem online für Zürcher Stimmen

In Zürich scheint die Chance des Angriffs auf den FDP-Sitz kleiner zu sein. Offiziell unterstützen BDP, EVP und CVP die Kandidatur ­Noser. Doch rein rechnerisch wäre ein grüner Coup immer noch möglich. Das rechnete kürzlich der ­Stratege der Alternativen Liste, ­Niklaus Scherr, öffentlich aus. Dafür müssten aber linke und grüne Wähler ausnahmslos hinter Girod stehen sowie ein Viertel bis ein Drittel der Mitte-Wähler. Oder in den Worten Girods: «Weil eins plus eins zwei sind und eins minus eins gleich null ist, sollten alle, die Jositsch gewählt haben, nun Bastien Girod wählen.»

Doch Umweltforscher Girod muss nicht einmal selber etwas leisten, um seinen grössten Vorteil zu erzielen: Weil FDP und SVP an ­ihren Kandidaturen festhalten, ­anstatt auf einen gemeinsamen Kandidaten zu setzen, könnte ­Girod als lachender Dritter siegen. FDP und SVP werden sich auch im zweiten Wahlgang gegenseitig Stimmen streitig machen.

Girods Kampagne hat sich in den letzten Wochen noch intensiviert. Seine Unterstützer nennen sich «Team Girod» und weibeln mit dem Hashtag #rechtsreichts vor allem auf sozialen Netzwerken für Stimmen. Auf Twitter und Facebook finden sich Profilbilder mit integriertem «Girod»-Banner. Die junge Generation fühlt sich von Girod besser repräsentiert. Das zeigt sich beispielsweise bei den Grünliberalen. Während die Mutter­partei keine Empfehlung abgeben will, sind die jungen Grün­liberalen bekennende Mitglieder des «Teams Girod».

Die Beteiligung nimmt zwischen den Wahlgängen in der Regel ab

In Zürich werden die Chancen für Girod aber davon abhängen, ob er die Linke mobilisieren kann. Die parteiinternen Uneinigkeiten in der SP, in der sich einige wie Regierungsrat Mario Fehr öffentlich für Noser aussprechen, könnten den «Coup Girod» verunmöglichen.

Der entscheidende Faktor im Showdown um den Ständerat wird die Wählermobilisierung sein. Hier müssen beide Lager zittern. «Die Beteiligung nimmt zwischen den beiden Wahlgängen in der ­Regel ab», sagt Thomas Milic von der Forschungsstelle Sotomo.

Bis jetzt hat sich der Ständerat leicht nach rechts verschoben. In den Kantonen Uri und Nidwalden hat die FDP je einen Sitz auf Kosten von CVP und GLP gewonnen. Nun könnte Mitte-links im Aargau und in Zürich diese Sitze zurückholen. Auch in Obwalden gibt man dem CVP-Kandidaten Erich Ettlin eine Chance auf den bisher von der FDP besetzten Sitz.

In den anderen Kantonen ist eine Verschiebung der Sitze zwischen Mitte-links und rechts-bürgerlich laut Sotomo-Berechnungen unwahrscheinlich. Im besten Fall für das Mitte-links-Lager gewinnt es insgesamt einen Sitz, im schlechtesten Fall verliert es zwei.

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