In der Volkspartei mehren sich die Stimmen, die eine massvolle Auslegung der Durchsetzungsinitiative fordern. Vordenker Christoph Blocher will davon nichts wissen.
Wer gestern versucht hat, SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt zu erreichen, hörte den ganzen Tag nur das Besetztzeichen. Vogt konnte, oder wollte nicht gefunden werden. Nicht von Journalisten und wohl auch nicht von seiner Parteispitze. Seit seiner Aussage zur Durchsetzungsinitiative in der «Schweiz am Sonntag» herrscht in der SVP dicke Luft.
Der neu gewählte Nationalrat will die Initiative so auslegen, dass kriminelle Ausländer, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind, nicht ausgeschafft werden. Secondos seien zwar keine Schweizer Bürger, doch sie würden zur Schweizer Rechts- und Sozialgemeinschaft gehören: «Aus dieser Gemeinschaft können und sollen wir Menschen nicht ausschliessen.» Wer hier geboren sei, soll bleiben, findet Vogt. Die SVP-Parteispitze widersprach umgehend: «Hans-Ueli Vogt bringt seine persönliche Meinung zum Ausdruck, die sich nicht mit der Haltung der SVP deckt», sagte Generalsekretär Martin Baltisser noch am Sonntag.
«Eine vernünftige Basis»
Doch jetzt zeigt sich, dass Vogt mit seiner Haltung in der SVP nicht allein ist. Er erhält Unterstützung dreier Parteikollegen aus dem Ständerat. «Der Vorschlag von Hans-Ueli Vogt wäre eine vernünftige Basis für eine differenzierte Umsetzung», sagt der Schwyzer Ständerat Alex Kuprecht.
Secondos, die keinen Bezug zum Heimatland der Eltern hätten und ein Bagatelldelikt begehen, könne man kaum ausschaffen. Auch Roland Eberle, Thurgauer Ständerat, findet Vogts Haltung «klug»: «Es ist nichts anderes möglich, als dass die Richter ihren Ermessensspielraum im Sinne des Verhältnismässigkeitsprinzips anwenden müssen.» Sogar der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann, der im Komitee der Durchsetzungsinitiative sitzt, erklärt: «Wir werden es sicher schaffen, bei der Umsetzung Augenmass zu bewahren», sagte er zu Radio 24. «Es gibt eine Kategorie von Ausländern, die speziell angeschaut werden muss.»
Zum Lager der Skeptiker werden auch die Kantone stossen. Der Präsident der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, Hans-Jürg Käser (Bern), plant eine Informationskampagne. «Wir müssen die Bürger über die Konsequenzen der Initiative informieren». Käser wird diese Woche an einem Seminar mit weiteren Regierungsräten in Interlaken besprechen, wie eine solche Kampagne aussehen könnte: «Ich habe positive Signale erhalten.» Damit meint Käser wohl auch Christoph Neuhaus (Bern) und Ernst Landolt (Schaffhausen), die einzigen zwei SVP-Regierungsräte, die sich bis jetzt öffentlich gegen die Initiative stellten.
Bemerkenswert sind die Ansichten der Abweichler, weil sie dem grundlegenden Zweck der Initiative widersprechen: Das Ziel der Initiative ist es, jeglichen Spielraum bei Ausschaffungen zu eliminieren – also die wortwörtliche Umsetzung der Ausschaffungsinitiative.
Blocher widerspricht Vogt
«Ein unglaubwürdiges Kasperlitheater» ist das Verhalten der SVP für das bürgerliche Komitee gegen die Durchsetzungsinitiative. In einer Mitteilung kritisierten gestern Parlamentarier aus FDP, BDP und GLP diese «Eigenprofilierung auf Kosten der Schweiz». Vogts Neudefinition des Begriffs «Ausländer» sei absurd.
SVP-Vordenker Christoph Blocher lehnt derweil eine Auslegung der Initiative à la Vogt entschieden ab: «Das würde der Initiative klar widersprechen und gar hinter die bisherige Praxis zurückfallen», sagt er. Die Gegner aus den eigenen Reihen würden ihn aber nicht stören: «Wir lassen unseren Leuten ihre eigene Meinung.» Dies im Gegensatz zur FDP, die Neo-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler gezwungen habe, von seiner Unterstützung der Initiative «abzuschwören».