Geschrieben zusammen mit Pascal Tischhauser und Denis von Burg.
Parlamentarier suchen einen Sprengkandidaten, um niemanden des SVP-Dreiertickets wählen zu müssen.
Lange schien alles klar: Für eine Mehrheit in Bundesbern hiess die Losung, Guy Parmelin wählen, um Thomas Aeschi und Norman Gobbi zu verhindern. In der Bundesratswahl vom nächsten Mittwoch würde sich die Bundesversammlung dem Machtanspruch der SVP beugen und einen der drei offiziellen Bundesratskandidaten wählen.
Doch plötzlich ist die Sache nicht mehr so eindeutig. Eine Gruppe von Parlamentariern aus Mitte- und Linksparteien sucht «den vierten Mann». Sie plant, das Dreierticket zu sprengen und einen anderen SVP-Vertreter in den Bundesrat zu hieven.
Bis am Mittwoch will die Parlamentarierguppe verschiedene Varianten für die Operation «vierte Mann» prüfen. Als Kandidaten im Vordergrund stehen Personen, die auch in der SVP als mögliche Bundesräte im Gespräch waren, aber abgesagt haben oder nicht nominiert wurden.
Erste Priorität hat bisher der Schaffhauser Nationalrat Thomas Hurter. Von ihm glauben die Strippenzieher, dass er dem Druck seiner Partei, eine Wahl abzulehnen, widerstehen könnte. Nach seiner Nichtnomination als Kandidat hat er laut SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz nicht klar ausgeschlossen, dass er eine Wahl als Sprengkandidat annehmen würde. Als ehemaliger Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission hat Hurter sich im Nationalrat einen Namen als kompetenter und unabhängiger Politiker gemacht.
Als Alternative wird Ständerat Hannes Germann genannt, auch er Schaffhauser. Für ihn spräche, dass er als Ständerat wohl einen Grossteil der kleinen Kammer hinter sich hätte und so auf Anhieb mit 30 bis 40 Stimmen starten könnte. Beide SVPler wurden zwar von ihrer Partei als bundesratswürdig befunden, aber schliesslich nicht nominiert, weil sie als zu wenig linientreu gelten.
Hurter wie Germann sind gegen die Kündigung der Bilateralen und für die Anerkennung des Völkerrechts. Was sie für viele in der SVP unwählbar macht, spricht aus Sicht anderer Parlamentarier für sie.
Selbst in der FDP gibt es Anhänger dieses Plans
Auch der ehemalige Thurgauer SVP-Nationalrat Peter Spuhler war eine Option als «vierter Mann». Doch man verwarf die Idee bald wieder, da Spuhler schon vor Wochen erklärt hatte, er stünde nicht zur Verfügung. Im Gespräch waren auch SVP-Regierungsräte.
Ob einer der möglichen Kandidaten schon in den Plan involviert ist, blieb bis Samstag offen. Klar ist aber, für die «Operation vierter Mann» sammelt die Parlamentariergruppe derzeit Stimmen, und sie lotet in der Bundesversammlung aus, ob es für Hurter oder Germann eine Mehrheit gäbe.
Nicht Direktbeteiligte räumen dem Plan Chancen ein. So sagt ein CVP-Mann: «Der Ärger über das SVP-Ticket ist so gross, dass die Aktion mit einem valablen Kandidaten wie Thomas Hurter gelingen könnte.» Und selbst in der FDP, die nach der Fraktionssitzung am Dienstag erklärte, man werde auf jeden Fall einen der Offiziellen wählen, gibt es dafür Anhänger: «Man muss es auf jeden Fall mit einem vierten Kandidaten versuchen, denn viele Parlamentarier wollen sich das Wahldiktat der SVP auf keinen Fall gefallen lassen», sagt eine Freisinnige. Die SVP hatte festgelegt, dass ein nicht von ihr aufgestellter Kandidat bei Annahme der Wahl automatisch aus der Partei ausgeschlossen würde.
Die Rechnung ist schnell gemacht: Stimmen die Linke, die Grünen und die Mitte mehrheitlich für den «vierten Mann» und kommen einzelne FDPler hinzu, ist er so gut wie gewählt.
Hinter der Suche nach dem «vierten Mann» steht nicht nur der Versuch, einen politisch eingemitteten Bundesrat zu wählen. Da im schweizerischen Konkordanzsystem die Bundesräte dem ganzen Parlament und nicht nur einer einzelnen Partei verpflichtet sind, macht sich staatspolitisches Unbehagen breit. Dass die SVP mit der Ausschlussklausel die Wahlfreiheit der Bundesversammlung einschränken will, hält man für «undemokratisch».
Letzte Woche hatten mit Kathy Riklin und Eric Nussbaumer bereits zwei Nationalräte aus der CVP und der SP öffentlich Kritik an der Ausschlussklausel geübt: «Der Ärger über das Vorgehen der SVP ist im Parlament gross», sagte die Zürcherin Riklin im «Tages-Anzeiger».
Und der Baselbieter Nussbaumer: «Wir bleiben frei bis zur letzten Sekunde. Das Parlament muss Bundesratskandidaten unabhängig bewerten können.» Es gehe darum, wie man mit einer Partei umgehe, die die Wahlfreiheit des Parlaments nicht respektiere. Zudem hat der bisherige Favorit Guy Parmelin in den Hearings viel von seinem Glanz verloren. Die Bereitschaft, Parmelin «als kleinstes Übel bei den Wahlen durchrutschen zu lassen, ist vielen von uns vergangen», sagt ein Parlamentarier, der noch letzte Woche Parmelin unbedingt wählen wollte.
Allerdings gibt es am Plan auch grosse Zweifel. Man befürchtet, dass der Auserkorene die Wahl dann doch nicht schaffen würde oder sich im Laufe des Wahlprozederes wegen des Drucks der SVP plötzlich zurückziehen könnte.
Wäre dann Guy Parmelin auch bereits aus dem Rennen gefallen, hätte das Parlament nur noch die Wahl zwischen Thomas Aeschi und Norman Gobbi. «Das wäre der Worst Case», sagt ein Sympathisant des Sprengkandidatenplans, «denn dann müssten wir zwischen Pest und Cholera wählen.»
Die Angst vor einer Wahl zwischen Gobbi und Aeschi
Und weil der Plan derart risikoreich ist, soll erst im allerletzten Moment entschieden werden, ob die Operation überhaupt durchgeführt wird. In mehreren Fraktionen erwarten Parlamentarier für Mittwochmorgen die entscheidenden Instruktionen.
Dass man trotz des Risikos einen Sprengkandidaten ins Auge fassen will, zeigt deutlich, wie unzufrieden man im Parlament mit dem Vorgehen der SVP ist.
Dennoch ist es gut möglich, dass man die «Operation vierter Mann» noch kurzfristig stoppt. In diesem Fall dürfte am 9. Dezember Guy Parmelin mit den Stimmen der Linken, der Mehrheit aus der Mitte sowie mit Vertretern der Freisinnigen und der SVP das Rennen machen.
Sollte aber wegen des missglückten Versuchs, einen vierten Mann zu wählen, oder wegen einer Unachtsamkeit Parmelin frühzeitig ausscheiden, könnte im Schlussgang Aeschi versus Gobbi doch noch die Stunde des Zentralschweizers schlagen. Denn obwohl Gobbi sich in den Hearings gut geschlagen hat und als umgänglicher gilt, wollen viele keinen Lega-Vertreter in der Landesregierung.