Hasspredigten des Islamisten sollen nur private «Notizen» sein

Der angebliche Unterstützer der Schweizer IS-Zelle will lediglich «Unterrichtsmaterial» erstellt haben. 

Die Vorwürfe wiegen schwer: Der Iraker Abdulrahman O. soll eine «Vielzahl an Reden» verfasst haben, «die den extremen Salafismus und den Islamischen Staat (IS) als Endziel propagierten». Die Texte würden den «Kampf gegen Andersdenkende und Ungläubige befürworten und die westliche Gesellschaft degradieren», heisst es in der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft.

Gegen O. wird seit Juli 2015 ­ermittelt. Er soll die Schweizer ­IS-Zelle unterstützt haben, die angeblich einen Anschlag geplant hatte und deren Mitglieder im Frühling 2014 verhaftet worden sind. Abdulrahman O. ist weiterhin auf freiem Fuss. Er ist im Kanton Nidwalden gemeldet und ­besitzt eine Autohandelsfirma.

«In den Texten extremistische Inhalte zu finden, ist meiner Ansicht nach an den Haaren herbeigezogen» – Anwalt von O.

Jetzt äussert sich erstmals sein ­Anwalt, Daniel Schütz, zu den Vorwürfen. Es handle sich bei diesen Reden um handgeschriebene Notizen, die in der Wohnung von O. gefunden wurden. Sein Mandant nenne die Notizen «Unterrichtsmaterialien». Zudem seien die Texte aus dem Arabischen übersetzt worden: «Es ist immer problematisch, wenn man einzelne Textstellen isoliert betrachtet und den Gesamtkontext nicht ­anschaut.» Teils handle es sich um Passagen aus dem Koran.

Die Sendung «10 vor10» zeigte am Donnerstag, dass O. als Imam in Moscheen in St. Gallen und ­Kriens tätig ist. Laut Anklageschrift soll O. dort auch die salafistischen Reden gehalten haben.

Schütz widerspricht. Es sei nicht bewiesen, dass O. alle diese Reden öffentlich vorgetragen hat. «Teils hat er sie gehalten, aber sicher nicht alle.» Ihm seien keine Beweise – wie etwa Aufnahmen der Reden in der Öffentlichkeit – bekannt: «Abdulrahman O. ist zudem nur gelegentlich Gastreferent in ­Moscheen», sagt Schütz Sein ­Mandant habe sich als Imam einen Namen gemacht und werde deshalb eingeladen.

O. sei zum gefragten Zeitpunkt nicht in der Türkei gewesen 

O. wird auch vorgeworfen, Funkgeräte via Türkei nach Syrien geliefert zu haben. Diese habe er Anhängern der Vorgängergruppe des IS, der ISI, ausgehändigt. Schütz sagt, O. bestreite auch dies: «Mein Mandant war zum massgeblichen Zeitpunkt nicht in der Türkei.»

Der Anwalt hat deswegen einen Beweisantrag gestellt, um von den türkischen Behörden Angaben darüber zu erhalten, ob O. zu diesem Zeitpunkt in die Türkei eingereist sei. Dieser wurde abgelehnt. Er hat den Antrag nun nochmals gestellt.

Die Beschuldigung, O. sei als Lieferant für den IS tätig gewesen, stütze sich bisher hauptsächlich auf Chatprotokolle, sagt Schütz. In den Gesprächen sei die Rede ­davon, dass O. mit Funkgeräten nach Syrien reisen soll.

«Grösstenteils handelt es sich aber um Gespräche, in denen mein Mandant nicht beteiligt war», sagt Schütz. Auf Grund von Chat­aussagen zu beweisen, dass O. zum gefragten Zeitpunkt in Syrien gewesen sei und Funkgeräte an Terroristen geliefert hätte, sei frag­würdig: «In diesem Anklagepunkt ist die Beweislage im Moment aus meiner Sicht dürftig.» Selbst wenn O. in Syrien gewesen wäre, hätte er die Geräte auch an andere ­Gruppen liefern können.

Abdulrahman O. wurde ursprünglich nur als Auskunftsperson bei den Ermittlungen gegen die IS-Zelle einvernommen. Er ist der Schwager von Wesam A., einem der drei Iraker, die vor ­anderthalb Jahren mit Verdacht auf einen geplanten Anschlag festgenommen wurden. Wesam A. wird vorgeworfen, in der Türkei einen IS-Kommandeur getroffen zu haben.

Im Strafverfahren wurde O. auch verdächtigt, Fotos und Videos von IS-Gräueltaten zu besitzen und auf Facebook zu verbreiten. Weil er die Posts gelöscht hat, wurde diese Beschuldigung mangels Beweisen fallen gelassen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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