«Ich orte Zweckoptimismus»

Alt-Bundesrat Samuel Schmid kritisiert die BDP und sorgt sich wegen der SVP

Das Interview ist erschienen am 1.11.15 in der SonntagsZeitung. Geschrieben zusammen mit Reza Rafi.

Samuel Schmid (r.), hier zusammen mit  Peter Harry Carstensen, Präsident des deutschen Bundesrates im Jahr 2005. Bild: parlament.ch
Samuel Schmid (r.), hier zusammen mit Peter Harry Carstensen, Präsident des deutschen Bundesrates im Jahr 2005. Bild: parlament.ch

Bundesrätin Widmer-Schlumpf hat sich in ihrer Rede besonders bei Ihnen bedankt. Sie habe sich an Ihrer Schulter ausheulen können, wenn es ihr nicht gut ging.

Da hat sie etwas gar übertrieben.

Es gab keine Heulszenen?

Nein. Aber ich habe sie manchmal getröstet. Sie ist Schokoladenliebhaberin, deshalb reichte ich ihr jeweils ein Stück Militärschoggi. Ich habe sie aber auch vor dem Haifischbecken in Bern gewarnt. Vor allem zu Beginn ihrer Amtszeit mahnte ich, dass es Blut, Schweiss und Tränen geben werde. Was sich ja auch bewahrheitet hat.

Wie meinen Sie das?

Eveline Widmer-Schlumpf musste die letzten acht Jahre mächtig Prügel einstecken – was zum Teil auch verlogen war. Für die Lösung im Finanzplatzstreit mit den USA etwa wurde sie von den Medien, allen voran der NZZ, heftig kritisiert. Die Banken hingegen schwiegen, weil sie insgeheim wussten, dass es keine andere Option gibt.

Widmer-Schlumpfs Rücktritt wird von der Parteispitze unbeirrt als «Chance» für die BDP verkauft. Einverstanden?

Das ist nicht falsch, jedoch auch etwas schönfärberisch. Natürlich hat die neue Situation Vorteile, aber ich orte hier Zweckoptimismus.

Hat die BDP ohne Widmer-Schlumpf keine Zukunft?

Doch, aber es wird anstrengend. Wir haben nicht die finanziellen Mittel wie andere. Wir müssen Sektionen gründen und in den neuen Medien präsenter werden, um Junge anzusprechen.

Dass es im Dezember nach einem zweiten SVP-Bundesrat aussieht, muss Sie schmerzen.

Wenn die SVP konkordanzfähig ist, was ich zu bezweifeln wage, kann sie diesen Anspruch geltend machen. Das hängt aber stark von den Personen ab, die sie aufstellt.

Die Chancen stehen gut, dass die SVP neben Ueli Maurer einen zweiten Vertreter der Parteilinie in die Regierung bringt.

Das sehe ich mit Sorge. Das Vertrauen in den Bundesrat und das Vertrauen im Bundesrat würden leiden, ich habe das selber erlebt.

Dann sind Sie für ein ­Zusammenrücken der Mitteparteien?

Ja, aber das muss mit der Basis abgesprochen werden! Der letzte Versuch scheiterte, weil er von oben erfolgte. Ich habe von den damaligen Unionsplänen als einfaches Parteimitglied aus den Medien erfahren.

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